Synopsis
Auszug: ...Lästerte ich, indem ich dich segnen wollte? Oder ist es die Scham zu Zweien, welche dich erröthen machte? - Heissest du mich gehn und schweigen, weil nun - der Tag kommt? Die Welt ist tief -: und tiefer als je der Tag gedacht hat. Nicht Alles darf vor dem Tage Worte haben. Aber der Tag kommt: so scheiden wir nun! Oh Himmel über mir, du Schamhafter! Glühender! Oh du mein Glück vor Sonnen-Aufgang! Der Tag kommt: so scheiden wir nun! - Also sprach Zarathustra. Von der verkleinernden Tugend 1. Als Zarathustra wieder auf dem festen Lande war, gieng er nicht stracks auf sein Gebirge und seine Höhle los, sondern that viele Wege und Fragen und erkundete diess und das, also, dass er von sich selber im Scherze sagte: "siehe einen Fluss, der in vielen Windungen zurück zur Quelle fliesst!" Denn er wollte in Erfahrung bringen, was sich inzwischen _mit_dem_Menschen_ zugetragen habe: ob er grösser oder kleiner geworden sei. Und ein Mal sah er eine Reihe neuer Häuser; da wunderte er sich und sagte: "Was bedeuten diese Häuser? Wahrlich, keine grosse Seele stellte sie hin, sich zum Gleichnisse! Nahm wohl ein blödes Kind sie aus seiner Spielschachtel? Dass doch ein anderes Kind sie wieder in seine Schachtel thäte! Und diese Stuben und Kammern: können Männer da aus- und eingehen? Gemacht dünken sie mich für Seiden-Puppen; oder für Naschkatzen, die auch wohl an sich naschen lassen." Und Zarathustra blieb stehn und dachte nach. Endlich sagte er betrübt: "Es ist Alles kleiner geworden! Überall sehe ich niedrigere Thore: wer meiner Art ist, geht da wohl noch hindurch, aber - er muss sich bücken! Oh wann komme ich wieder in meine Heimat, wo ich mich nicht mehr bücken muss - nicht mehr bücken muss vor den Kleinen!" - Und Zarathustra seufzte und blickte in die Ferne. - Desselbigen Tages aber redete er seine Rede über die verkleinernde Tugend. 2. Ich gehe durch diess Volk und halte meine Augen offen: sie vergeben mir es nicht, dass ich auf ihre Tugenden...
About the Author
Friedrich Nietzsche wurde am 15.10.1844 in Röcken bei Lützen geboren. Er stammt väterlicher- und mütterlicherseits von Pastoren ab. Er studierte von 1864-1865 klassische Philologie in Bonn und Leipzig. Mit 25 Jahren wurde er außerordentlicher Professor der klassischen Philologie in Basel. Nietzsche kam 1876 wegen eines Nerven- und Augenleidens vorübergehend und 1879 endgültig in den Ruhestand. 1889 brach seine Geisteskrankheit vollends aus, er kam in die Irrenanstalt in Basel. Er lebte seit 1897 in Weimar (in geistiger Umnachtung), wo er am 25.08.1900 starb.
"About this title" may belong to another edition of this title.