Published by Paris, 1949/1950., 1950
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Add to basketZusammen 26½ SS. auf 16 Bll. 4to und 8vo. Mit 1 eh. adr. Kuvert. Vertraute Briefe an die junge Sängerin Diet Kloos-Barendregt (1924-2015), die Celan im August 1949 auf der Terrasse des Cafés Dupont kennengelernt hatte, wo ihr die "Memoires d'une âne" von Sophie de Ségur vom Schoß gefallen waren. Der 29-jährige Dichter und die 25-jährige Musikstudentin aus Dordrecht waren ins Gespräch gekommen: über ihren Widerstand gegen die deutschen Besatzer, ihre Gefangenschaft und den Mord an ihrem Ehemann Jan Kloos, der im Jänner 1945 in Amsterdam standrechtlich erschossen worden war; über die Ermordung von Celans Eltern, über die Zwangsarbeit und seine Flucht aus Rumänien. Nach ihrer Rückkehr entspann sich ein knapp einjähriger Briefwechsel, von dem zwar nicht ihre eigenen Briefe, dafür aber die hier vorliegenden Celans erhalten geblieben sind. - "Ich weiß nicht, wie spät es jetzt ist, jedenfalls ist es noch Nacht, das heißt es ist noch dunkel, wenn es auch schon Morgen ist - wieviel Uhr also? Umsonst, ich kann es nicht sagen, denn meine Uhr steht still, mein valet de chambre ließ sie gestern beim Aufräumen des Zimmers fallen, ich habe also, wenn ich so sagen darf, keine Zeit - endlich! und die Glocken der Kirchen geben nur schlechten Bescheid, sie sind zu zahlreich [.] sie stimmen nicht überein, ihre Glockenschläge folgen rasch aufeinander, es ist, wenn Du willst, dreißig oder zweiunddreißig Uhr, eine Stunde aus verschiedenstem Silber, ein aufmerksames, hellhöriges Ohr könnte unterscheiden, helles und deutliches von dunklem, undeutlichem Silber trennen und so die Zeit erfahren, aber mein Ohr ist träge, absichtlich, damit meine Hand umso reger wird, wenn mir endlich die Zeit abhanden gekommen ist. All das ist ein Glück für mich, der ich doch mit meiner Zeit nichts Rechtes anzufangen weiß - was tat ich bislang, wenn ich Zeit hatte? Ich wartete auf die Zeit [.] Alles ist zu schwer, weil alles zu leicht ist" (23. VIII. 1949). - "Was ich brauche, was ich so dringend brauche, eben deshalb, weil ich so oft von mir weg muß, auf Reisen gehen muß - und wie unbequem ist dieses Reisen: ich selber bin dabei reglos, wechsle nicht den Ort, die Welt aber saust unter meinen Füßen vorbei! - was ich also brauche, ist das Gefühl, daß es bei all diesem Hin und Her einen Ausgangspunkt gibt, der, wenn er auch nie wieder erreicht werden kann, dennoch bestehen bleibt - ein solcher Ausgangspunkt wären meine Gedichte, wenn ich sie in Sicherheit wüßte, sauber abgedruckt und gebunden" (6. IX. 1949). - "Ich bin im Begriffe, mein Leben anders, hoffentlich besser einzurichten als bisher und meinen, in den letzten Wochen etwas deutlicher werdenden Jahren Rechnung zu tragen. Ich glaube, Du hast mal die Linien meiner Hand angesehen, Diet; so wirst Du Dich vielleicht erinnern, daß meine Lebenslinie zweimal abreißt, um sich in zwei voneinander getrennten kleineren Linien fortzusetzen. Nun, mir will scheinen, daß ich gerade da stehe, wo dies zum zweitenmal geschieht, wo ich mich von mir selber abspalte, Gott weiß zu welchem Zweck. Immer weniger gleiche ich dem verspielten Knaben, der ich so gern war, und - verzeih - ich verschmerze das Unwiederbringliche schwerer als es einem erlaubt sein mag, der zu wissen glaubt, wie ein Auge im Dunkel strahlt" (21. IX. 1949). - "Und über allem, schwebend und dabei doch so lastend, der Alltag, die Rundfahrt durch die Welt des täglichen Brotes. Und unter allem, verborgen, kaum hörbar, aber quälend auf unterirdische Art, der Traum von der Unendlichkeit, nie verwirklicht, kaum geahnt, unerreicht. Und dazwischen: Ich, Paul Celan, ein Mann, der vielleicht doch noch ein Baum wird, wenn der Abend es will [.]" ("Dienstag abend", wohl 29. XI. 1949). - Im linken Rand gelocht und teils mit kleineren Randläsuren, sonst gut erhalten. - Paul Celan: Du mußt versuchen, auch den Schweigenden zu hören. Briefe an Diet Kloos-Barendregt. Handschrift - Edition - Kommentar, hg. von P. Sars u. L. Sprooten (Frankfurt a. M., 2002). P. Sars (Hg.), "Alles is te zwaar, omdat alles te licht is". De brieven van Paul Celan aan Diet Kloos-Barendregt. Übs. von C. O. Jellema (Amsterdam, 1999).
Published by Verbier, Kanton Wallis, Schweiz, und Paris, 5. und 25. VII. 1957., 1957
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Manuscript / Paper Collectible
£ 10,798.09
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Add to basketZusammen (2+4 =) SS. auf 3 Bll. Mit einem eh. adr. Kuvert und einigen Beilagen (s. u.). An den niederländischen Komponisten Jaap Geraedts, der sich 1957 an Celan gewandt hatte mit dem Vorschlag, dieser möge den Text zu einem geplanten Oratorium verfassen. Geraedts, der selbst weder Jude noch Opfer des nationalsozialistischen Terrorregimes war, hatte ausdrücklich nach einem jüdischen Dichter gesucht und sich schließlich gegen die ihm vom jüdisch-niederländischen Schriftsteller und Historiker Jacques Presser empfohlenen Dichter Maurits Mok und Abel Jacob Herzberg und stattdessen für Celan entschieden, der als Verfolgter und Augenzeuge aus der eigenen Tradition heraus den Text beisteuern sollte. "Für die Abfassung des Konzeptplans in deutscher Sprache braucht Geraedts einige Tage, aber bereits am 25. Mai wendet er sich mit einem Brief an Paul Celan, in dem er sich vorstellt, sein Vorhaben skizziert und die Anlage erläutert. Es werden noch vier Briefe folgen sowie ein Schreiben von Geraedts' Mutter [.], die Celan während ihres Aufenthalts in Paris ein Gespräch vorschlägt und ihn ebenfalls eindringlich bittet, ihrem Sohn zu antworten" (Sars, S. 9). - Am 5. Juli antwortet Celan aus dem schweizerischen Verbier: "Ihr erster Brief, den ich, wenn ich nicht irre, einen Tag vor meiner Abreise aus Paris erhielt, hat mich auch hierher begleitet. Daß ich ihn so lange unbeantwortet ließ, hat seinen Grund einzig darin, daß er mir zu wichtig erschien, als daß ich ihn mit meiner auf Reisen recht geduldlosen Feder hätte beantworten dürfen. Auch heute noch muß ich mir sagen, daß ein Anliegen wie das Ihre, soll es, wie es dies verdient, mit allem Lebensernst aufgenommen werden, an meine Konzentrationsfähigkeit Ansprüche stellt, denen ich, im Augenblick zumindest, nicht ganz gewachsen bin [.] Wenn ich meine Einstellung kurz charakterisieren darf: für mich bleiben diese Dinge, auch heute noch, in ein Dunkel getaucht, tiefer als man es gemeinhin wahrhaben will, ich sehe, wenn ich ehrlich sein soll, keinerlei 'Silberstreifen' am Horizont, Besinnung und Umkehr bleiben, wo sie überhaupt noch angesprochen werden, papierene Wirklichkeit, Vokabel, und dies selbst im Lager derjenigen, die gewillt scheinen, das vor kurzen historischen Augenblicken Geschehene im Gedächtnis zu bewahren [.] Ich will versuchen, es auch anders zu formulieren: ein Oratorium, wie das von Ihnen geplante müßte, für mein Gefühl, zeitlich umfassender (mithin unbegrenzter) gestaltet sein, als man es, auf den ersten Blick, konzipieren mag. Das Jüdische: es hat - erlauben Sie mir, dem Juden (und Nicht-nur-Juden), es so zu formulieren - eine Ewigkeitsdimension. (Und wäre es nur die schier ununterbrochene Untergangsnähe: sie allein würde ausreichen, dies zu bestätigen.)". - An dieser Stelle endet der Brief, den Celan zusammen mit dem zweiten Brief, den er am 25. Juli aus Paris schreibt, an Geraedts schickt: "Sie müssen mich, mit vollem Recht, für einen ganz unmöglichen Menschen halten! Verzeihen Sie dennoch! Ich habe - der beiliegende, nicht zu Ende geschriebene Brief soll es Ihnen zu beweisen versuchen - immer wieder an Ihren Brief gedacht, meine Säumigkeit schreibt sich, so seltsam das auch klingen mag, einzig von der Sorge her, mit meinen Gedanken weit hinter dem zurückzubleiben, was Ihnen am Herzen liegt [.]". Celan sichert Geraedts zu, versuchen zu wollen, "den Text zu schreiben, den Sie von mir erwarten". Anschließend unterbreitet er den Vorschlag eines Treffens und legt Geraedts "das Werk einer bedeutenden jüdischen Dichterin" ans Herz, "die in Stockholm lebt. Es ist das Werk von Nelly Sachs [.]". - Im März des darauffolgenden Jahres kommt es auch zu einer persönlichen Begegnung von Celan und Geraedts in Paris, doch aus der angedachten Zusammenarbeit sollte schlussends nichts werden. - Beide Briefe im linken Rand gelocht (keine Textberührung), ein Brief mit einer kleinen Rostspur durch eine Büroklammer. Beiliegend eine ms. Postkarte und ein ms. Brief von Celans Verlag, der Deutschen Verlags-Anstalt, an Geraedts sowie 3 (2 ms. und 1 eh.) Briefe (samt 2 Kuverts) von diesem an Paul Sars, dem Herausgeber des kleinen Briefwechsels von Celan und Geraedts. - Paul Celan, Jaap Geraedts. Keinerlei "Silberstreifen" am Horizont. Der Briefwechsel des Dichters mit dem Komponisten. Herausgegeben und kommentiert von Paul Sars (Wien u. a. O, 2013).