Im Diskurs der Moderne avanciert die Lebensform Christi zu einem zentralen kunstlerischen Selbstdeutungstopos. Leid, Selbstzweifel und Vereinsamung des modernen Kunstlers sind in ihr ebenso vorgezeichnet wie das Bewusstsein einer exzeptionellen Berufung. Die aristokratischen und sozialrevolutionaren, politischen und unpolitischen, ironischen und naiven, androgynen und homoerotischen Personlichkeitsfacetten, die Jesus von Nazareth um die Jahrhundertwende zugeschrieben werden, disponieren ihn zu einer Spiegelfigur der kunstlerischen Existenz. Christus gehore unter die Dichter, schreibt Oscar Wilde. Thomas Manns Werk entsteht in der Auseinandersetzung mit genuin modernen Spielarten der Imitatio Christi in der Selbstkreuzigung Friedrich Nietzsches, der christologischen Selbststilisierung Gerhart Hauptmanns und anderer zeitgenossischer Schriftsteller. Dass in der unmittelbaren Nachkriegszeit rigoros uber die Religiositat oder den Atheismus Thomas Manns gestritten wurde, hat bis heute den Blick auf Prasenz und Funktion christologischer Motive in seinem Werk verstellt. Dieses Buch ruckt Thomas Manns erzahlerische Christusfigurationen als Form des Self-Fashioning in den Kontext der Moderne.
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